Gehirn-Computer-Schnittstellen

Die Entwicklung von Gehirn-Computer-Schnittstellen geben vollständig gelähmten Menschen Hoffnung auf eine aktive Teilnahme an ihrer Umwelt.

Stellen Sie sich vor, Sie wachen auf und können weder Arme noch Beine bewegen. Sie versuchen Ihren kleinen Finger zu heben - doch er lässt sich nicht krümmen. Angst steigt in Ihnen hoch. Am liebsten möchten Sie losschreien - aber das geht nicht: Auch ihre Gesichtsmuskeln gehorchen ihnen nicht mehr. Sie sind gefangen in Ihrem eigenen Körper. 

Diese Szene ist wohl eine wirklich verheerende und angsteinjagende Vorstellung für die meisten von uns. Leider gibt es Menschen, für die dieser Zustand traurige Realität ist: den "Locked-in"-Patienten. Bei ihnen ist als Folge eines Schlaganfalles, einer traumatischen Hirnverletzung, Zerebralparese oder degenerativen neurologischen Erkrankung, wie die Amyotrophe Lateralsklerose, das gesamte motorische System gelähmt. Die Patienten sind bei vollem Bewußtsein und geistig wach, können jedoch kaum einen Muskel ihres Körpers bewegen und sind dadurch auch nicht in der Lage, ihre Bedürfnisse, Wünsche und Emotionen zu kommunizieren. Bei ihnen ist tatsächlich ein gesunder Verstand in einen gelähmten Körper eingeschlossen („locked in“).

Eine Behandlung, die dieses Leiden heilt, gibt es noch nicht. Auch die Auslösemechanismen der Amyotrophen Lateralsklerose, eine der Ursachen für das Locked-In Syndrom, versteht man noch nicht. Bei dieser neurologischen Erkrankung sterben nach und nach die Motoneurone des zentralen und peripheren Nervensystems ab. Meist beginnt die Lähmung in den unteren Gliedmaßen und wandert dann zu den Händen und Armen. Als letztes sind dann die Muskeln befallen, die für die Atmung und das Schlucken verantwortlich sind. In diesem Stadien können Patienten nur dann überleben, wenn sie sich für eine künstliche Beatmung entscheiden.

Der einzige Hoffnungsschimmer, den Locked-in-Patienten zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben, ist die Entwicklung von Gehirn-Computer-Schnittstellen, auf englisch Brain-Computer-Interfaces (BCI). Dabei handelt es sich um einen direkter Kommunikationspfad zwischen Gehirn und einem externen Gerät, das die neuronalen Vorgänge aufzeichnet. Bis zu einem gewissen Grad können BCI mit nichtinvasiven Techniken durchgeführt werden.

Die EEG-Aufzeichnung ist dabei die am besten untersuchte potenzielle Schnittstelle. Sie eignet sich hauptsächlich aufgrund ihrer ausgezeichneten zeitlichen Auflösung. Desweiteren ist sie leicht bedienbar und mobil. EEG-Aufzeichnungen langsamer kortikaler Hirnpotenziale werden etwa seit Mitte der 90er Jahre von Niels Birbaumer in Experimenten an der Universität Tübingen eingesetzt. Gelähmte Patienten können trainiert werden, ihre Gehirnwellen so zu kontrollieren, dass sie damit einen Computer-Cursor bewegen können. Durch Anklicken bestimmter Abbildungen auf dem Monitor können sie dann auf einfache Weise kommunizieren.

Seit derselben Zeit gibt es die ersten neuroprothetischen Geräte, die Patienten implantiert werden. Sehen Sie hierzu einen Beitrag des amerikanischen Nachrichtensenders CBS (nur in englischer Sprache) über die Locked In Patientin Cathy Hutchinson, die zu den ersten Menschen gehört, denen eine direkte Verbindung von ihrem Gehirn zu einem Computer implantiert wurde: "Cathys Gedankenkraft".
 
Ausschnitte aus der Reportage "Cathys Gedankenwelt":
Cathy mit impantiertem Gehirnzugang. Quelle: CBS.
Cathy mit impantiertem Gehirnzugang. Quelle: CBS.
Anschluss des BCI Systems. Quelle: CBS.
Anschluss des BCI Systems. Quelle: CBS.
Cathy steuert mit ihren Gedanken einen Mauszeiger. Quelle: CBS.
Cathy steuert mit ihren Gedanken einen Mauszeiger. Quelle: CBS.
Derzeit wird an Affen und Ratten erforscht, wie BCI die "Muskulatur" eines Patienten teilweise ersetzten könnten. Hierzu werden ihnen die Nervenimpulse aus dem motorischen Zentrum des Gehirns abgeleitet und an externe Apparate weitergeleitet - die sie dann allein mithilfe ihrer "Gedanken" bewegen können! Dank diesen Tierversuchen wird es wahrscheinlich eines Tages möglich sein, dass Locked-in-Patienten, Querschnittsgelähmte und Armprothesenträger, durch Gedanken-gesteuerte Roboterarme wieder selbstständig eine Tasse an den Mund führen können - eine entscheidende Verbesserung ihrer Lebensqualität.

Um BCI weiterentwickeln zu können, benötigen wir ein noch tiefergehendes Verständnis des neuronalen Codes. Zur Erforschung dieses Gebiets sind Tierversuche unerlässlich.