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Constrained-Induced Movement Therapy

Schlaganfälle und andere Schädigungen am Zentralen Nervensystem führen häufig zu Lähmungen.
Die Constrained-Induced Movement Therapie hilft den Patienten, ihre betroffenen Körperglieder wieder im Alltag einzusetzen.
Nach Schlaganfällen oder anderen Schädigungen des Zentralen Nervensystems (ZNS) kommt es häufig zu Lähmungen einzelner Körperteile. Eine wichtige Methode um diese Ausfälle zu behandeln ist die Constrained-Induced Movement Therapie (CIMT). Ihr Entdecker Edward Taub war der Ansicht, dass Schlaganfallpatienten die betroffenen Glieder häufig nicht mehr benutzen, weil sie durch die damit verbunden Schwierigkeiten entmutigt sind, sie zu gebrauchen. Dieser „gelernte Nichtgebrauch“, argumentierte Taub, führt zu einer weiteren Verschlechterung der Lähmung.

Um den Prozess aufzuhalten, zwingt die CIMT oder Taubsche Therapie den Patienten, das betroffene Körperglied intensiv zu bewegen. Dies geschieht, indem das nicht-betroffene Körperteil über einen längere Zeitraum eingeschränkt wird. Das gelähmte wird in der Zeit intensiv benutzt und trainiert. Durch ständig wiederholte Übungen wird die Entwicklung neuer neuronaler Pfade im Gehirn induziert. Die Patienten lernen dadurch, die gelähmten Glieder wieder einzusetzen.

Die Taubsche Therapie ist in Deutschland weit verbreitet. Obwohl sie in der medizinischen Fachwelt groß gefeiert ist, wird in der Öffentlichkeit über ihren Ursprung fast nie geredet. Dabei basiert sie auf tierexperimenteller Forschung: Taub führte seine Experimente an Javanersaffen durch. Seine Silver-Spring-Affen sind als die wohl berühmtesten Versuchstiere in die Geschichte eingegangen.

Die Tiere erregten das Interesse der Öffentlichkeit in Folge einer bitteren, zehn Jahre andauernden Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftlern und der PETA (People for the Ethical Treatment of Animals). Grundstein des Streits war vor allem, dass Taub auch mit experimenteller Deafferentierung der Tiere arbeitete. Dabei werden die sensorischen Nervenstränge im Rückenmark, durch die wir Informationen über den Zustand unserer Gliedmaßen erhalten, komplett von den motorischen Nerven getrennt. Ein Affe, dessen Gliedmaßen deafferentiert wurden, kann diese nicht fühlen und er kann nicht spüren, wo sie sich im Raum befinden.

Die Ausgangsüberlegung der Experimente war, dass ein Affe den deafferentierten Arm nicht benutzt, weil er sich auf seinen intakten Arm verlassen kann. Werden dem Tier jedoch beide Arme deafferiert, dann müsste es gezwungen sein, sie zu benutzten. Obwohl die Überlegung paradox scheint - sie wurde von den Experimenten bestätigt. Taub deafferierte später sogar das gesamte Rückenmark. Der Affe erhielt so überhaupt keine sensorische Informationen seiner Extremitäten mehr. Selbst dann war das Tier jedoch noch in der Lage, seine Glieder zu benutzen, wenn es durch elektrische Stimulation oder Hunger dazu gezwungen wurde.

Edward Taub wurde von der PETA vor Gericht gebracht. Viele Leute haben ein Foto von dem Silver-Spring-Affen gesehen, der wie ein Gekreuzigter aussieht. Es weiß aber wohl kaum jemand, dass viele Indizien dafür sprechen, dass diese Bilder von Tierversuchsgegnern inszeniert wurden, die am Institut hausmeisterliche Tätigkeiten ausübten (siehe Review von Nobelpreisträger David Hubel in Annual Reviews in Neuroscience 1991, 14:1-8; doi:10.1146/annurev.ne.14.030191.000245). Die Polizei brachte die beschlagnahmten Affen kurzzeitig im Untergeschoss eines Hauses unter, das einem PETA-Mitglied gehörte. Zeitweise wurden die Tiere als gestohlen gemeldet. Später tauchten sie jedoch plötzlich wieder auf, als klar wurde, dass Taub nicht strafrechtlich verfolgt werden könnte, solange die Tiere als Beweismittel fehlten. Letztendlich wurden die Affen an das National Institute of Health (NIH) übergeben, eine Einrichtung der amerikanischen Behörden.

Viele Jahre später erlaubte das Gericht einer Forschungsgruppe am NIH, an einem erkrankten Affen ein Terminalexperiment durchzuführen. Unter Narkose brachten sie Elektroden in dessen Gehirn an und leiteten Hunderte von Gehirnimpulsen ab. Dabei entdeckten die Wissenschaftler „einen bisher noch nie gesehenen Grad an Reorganisation des sensorischen Kortex. Ein acht bis zehn Millimeter großes Areal, welches normalerweise Information von der Hand erhalten hätte, bekam diese nun aus dem gesamten Gesicht. Doch nicht nur der Kortex war verändert: auch die Struktur des Thalamus hatte sich reorganisiert. Dieses lag wohl in dem fortschreitenden Nervenabbau, der durch die Deafferentierung verursacht worden war.

Auf diesen Erkenntnissen aufbauend entwickelte Edward Taub neue physiotherapeutische Techniken. Dank seiner Methode haben bis heute Tausende Patienten mit Schädigungen am zentralen Nervensystem gelernt, ihre gelähmten Gliedmaßen wieder zu gebrauchen. Die „American Stroke Association“ ist der Meinung, dass die Taubsche Therapie "an der Spitze der Revolution" der Behandlung von Schlaganfallspatienten stehe.